Wie man Kinder erfolgreich und mit Spaß vor einer großen Gefahr schützt

„Jedes Kind muss schwimmen lernen“: ein besonderes Projekt mit den Augen eines (Sport-)lehrers betrachtet.

Gastbeitrag von Deniz Yılmaz (im Bild rechts), Grundschullehrer an der Gebrüder-Grimm-Schule in Neuss Erfttal

Zuerst war unser Gastautor reichlich skeptisch, was die Teilnahme an dem Pilotprojekt anging.  Doch seine Erfolgsbilanz fällt eindeutig aus – bewegende Erlebnisse mit Erst-SchwimmerInnen inklusive. Lesen Sie hier den ausführlichen Bericht eines erfahrenen Pädagogen.

700x465-Projekt-Schwimmen-Yilmaz.jpgEtwa um die Zeit der Herbstferien des vergangenen Schuljahres sprach uns der Bäderbetriebsleiter der Stadtwerke Neuss Alexander Bride nach dem Schwimmunterricht im Neusser Südbad an, ob unsere Schule an der Teilnahme an einem Pilotprojekt zum begleitenden Schwimmunterricht interessiert sei. Dabei wird den sich daran beteiligenden Schulklassen eine Lehrperson der Stadtwerke zugeteilt, die die schulischen Lehrkräfte in ihrer Arbeit begleitend unterstützt.
Zuerst waren wir etwas skeptisch. Ist die begleitende Person für die Lehrenden und Lernenden wirklich eine Unterstützung oder bringt sie bei den bereits bestehenden Belastungen im Schulschwimmunterricht allenfalls noch weiteren Arbeitsaufwand mit sich?

Schwimmbad-Besuch: schönes Ereignis – und große Herausforderung für Lehrer

Klar ist, dass der Besuch des Schwimmbades, gleichwohl ob mit der eigenen Familie oder mit der eigenen Klasse, für sehr viele Kinder ein schönes Ereignis ist. Die Freude und das Strahlen in den Augen eines jedes Kindes über erreichte Fortschritte im Schwimmen lernen zu sehen sind unbezahlbar.  Um diese kleinen Fortschritte im Schulschwimmen zu erreichen, sind aufgrund der im Vergleich zur eigenen Familie bestehenden wesentlich höheren Kinderanzahl in Schulklassen selbstverständlich neben räumlichen Bedingungen vor allem aber Zeit und Personal erforderlich. Man stelle sich eine bunte Rasselbande vor, die aus durchschnittlich 24 Grundschüler/inne/n besteht und trotz einer Einteilung in Schwimmende und Nichtschwimmende natürlich immer noch weitreichende Leistungsunterschiede zeigt.

Die Freude und das Strahlen in den Augen eines jedes Kindes über erreichte Fortschritte im Schwimmen lernen zu sehen sind unbezahlbar. 

Wenn keine Sicherheitsbedenken bestehen, ist es zwar unter den gegebenen Bestimmungen erlaubt, dass eine Klasse von nur einer schulischen Lehrkraft im Schwimmen unterrichtet wird, aber es dürfte ohne Weiteres offensichtlich sein, dass ein solcher Unterricht kaum mit nennenswertem Erfolg für die Schüler/innen gekrönt sein wird. Deshalb schicken viele Grundschulen zwei Lehrkräfte mit einer Klasse zum Schwimmen, damit zweckmäßiger Unterricht wenigstens in einer groben Leistungseinteilung in Schwimmende und (Noch-)Nichtschwimmende stattfinden kann. Hierbei davon auszugehen, dass jede schulische Lehrkraft damit durchschnittlich 12 Schüler/innen unterrichtet, ist milchmädchenhaft, da sich die Anzahl der Nichtschwimmenden fortlaufend (hoffentlich) verringert.


Zweihäufigste Todesursache: Schwimmen lernen ist kein Luxus!

Aber auch selbst in diesem Fall stünden während der 30minütigen Schwimmzeit bei idealen Voraussetzungen dennoch nur zweieinhalb Minuten individuelle Zuwendung für jede/n Schüler/in zur Verfügung. Zu Anfang des schulischen Schwimmlernens ist die Anzahl der nichtschwimmenden Schüler/innen besonders hoch. Warum manche Eltern ihren Kindern nicht bereits in frühem Alter regelmäßig die Bewegung im Wasser spielerisch nahebringen, schmerzt schon beim Nachdenken darüber. Das Schwimmen können ist und sollte so selbstverständlich sein wie das Gehen, Laufen oder jede andere natürliche Form der menschlichen Fortbewegung. Schwimmen zu können ist nicht nur eine Sportart, es ist (über)lebenswichtig!

Als Schwimmlehrer plädiere ich unbedingt für die Erhaltung von Schwimmbädern und Schwimmfläche in Städten und Kommunen, damit Kindern in Schulen, Vereinen und mit der eigenen Familie schwimmen lernen können. Dies ist umso relevanter vor dem Hintergrund, dass Ertrinken die zweithäufigste unfallbedingte Todesursache bei Kindern ist.
Dieser missliche Umstand begegnet uns auch bedauerlicherweise viel zu häufig in dem Stadtteil unserer Schule. Deshalb versuchen wir den Schwimmunterricht die gesamte Grundschulzeit durchgehend stattfinden zu lassen.

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Als Schwimmlehrer plädiere ich unbedingt für die Erhaltung von Schwimmbädern und Schwimmfläche in Städten und Kommunen, damit Kindern in Schulen, Vereinen und mit der eigenen Familie schwimmen lernen können. Dies ist umso relevanter vor dem Hintergrund, dass Ertrinken die zweithäufigste unfallbedingte Todesursache bei Kindern ist.

Unsere anfänglichen Zweifel nach der Teilnahmeanfrage überwanden wir recht schnell und erfuhren mit Beginn des Pilotprojektes „Jedes Kind muss schwimmen lernen“ ab Ende Oktober welch großartige Bereicherung es sowohl für uns als auch für unsere Schüler/innen war .
Wir nahmen mit 38 Schüler/innen aus zwei 3. Klassen daran teil. Alle Schüler/innen hatten zuvor ein Schuljahr lang schulischen Schwimmunterricht erhalten. Demzufolge konnten sich zu Beginn der Unterstützungsmaßnahme zehn Kinder ohne Hilfen im tiefen Wasser weitgehend technikgerecht bewegen. Drei Nichtschwimmende zeigten schon angemessene Bewegungsabläufe. Die übrigen Nichtschwimmenden waren jedoch meist nicht imstande, erarbeitete Bewegungsformen technikgerecht auszuführen. Die Gründe hierfür liegen häufig in der auffallend geringen häuslichen Unterstützung/Förderung unserer Schüler/innen, die allein durch den schulischen Schwimmunterricht nicht hinreichend kompensiert werden kann.

Mithilfe äußerst kompetenter Unterstützung durch die Fachangestellte für Bäderbetriebe, Ruth Kronenberg, ergaben sich bis Mitte Februar als Zwischenbilanz sehr positive Leistungsentwicklungen innerhalb der beiden Klassen. Frau Kronenberg ging fachkundig und sehr motivierend sowohl auf die Nichtschwimmenden als Gruppe als auch im Einzelnen ein. Dies hatte zufolge, dass sich die Anzahl der derzeitigen Schwimmenden mit 19 innerhalb von etwa drei Monaten nahezu verdoppelte und damit fast die Hälfte der Gesamtgröße erreicht hat. Fast alle Nichtschwimmenden hatten derweil nennenswerte Fortschritte gemacht, die zweifelsohne mehrheitlich Aussicht auf zeitnahen Erfolg vermuten ließen.

Unsere anfänglichen Zweifel nach der Teilnahmeanfrage überwanden wir recht schnell und erfuhren mit Beginn des Pilotprojektes „Jedes Kind muss schwimmen lernen“ ab Ende Oktober welch großartige Bereicherung es sowohl für uns als auch für unsere Schüler/innen war.

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Einige Mädchen trauten sich erstmals überhaupt ins Wasser

Bilanzierend kann gesagt werden, dass durch die Teilnahme an diesem Projekt der Anteil der Schwimmenden über die Dauer der Teilnahme von 26% auf 68% gestiegen ist. Unter den 13 Nichtschwimmenden stehen sieben kurz davor Schwimmende zu werden. Den übrigen Nichtschwimmenden, deren Erfolg bislang durch große Ängste (bedingt durch unzureichend außerschulische Schwimmerfahrung) ausgeblieben war, konnte im folgenden Schuljahr durch schulische Lehrkräfte eine besondere Zuwendung zuteilwerden.

Die fachkundige Unterstützung des Lehrpersonals durch das Projekt zeigte eindeutig Erfolge. Dies wird rückblickend auf die ähnliche Ausgangslage beider Klassen zum Projektbeginn und ihrer vergleichbaren Leistungsentwicklung bis zum Zwischenleistungsstand besonders durch die auffälligen Leistungsunterschiede der Klassen im 2. Schulhalbjahr deutlich. Frau Kronenbergs Unterstützung ermöglichte auch eine zeitweilig intensivere Unterstützung einzelner Nichtschwimmender, die im regulären schulischen Schwimmunterricht so nicht gegeben werden kann. Dies sei insbesondere in einem herausragenden Beispiel zu erwähnen, indem es einem syrischen, geflüchteten Mädchen das vor drei Malen erstmalig überhaupt Schwimmunterricht erhielt, durch persönliche Zuwendung gelang, Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten zu gewinnen und diese so auszuformen, dass sie sich mit Schwimmhilfen im tiefen Wasser bewegen kann.

Wir, die Stadtwerke Neuss, bedanken und herzlich bei Deniz Yılmaz, dass er seine Erfahrungen hier in unserem Stadtwerke-Magazin geteilt hat. Heute betreut übrigens Bädermitarbeiter Mate Kalman (im Bild oben links) die Grundschulkinder gemeinsam mit den Lehrern.

Haben Sie Fragen zu dem Projekt „Jedes Kind muss schwimmen lernen“ oder möchten Sie Ihre Meinung und Erfahrung mit den anderen Leserinnen und Lesern und uns teilen? Dann schreiben Sie doch einen Kommentar oder nehmen Sie Kontakt mit uns auf!

Kommentare (2)

  1. Stadtwerke Neuss
    sagt:
    Hallo Herr Behnert, vielen Dank für Ihre Rückmeldung, die uns sehr freut. Wir leiten Ihre positiven Worte auch gerne an Herrn Yilmaz weiter. Auch er wird sich sicherlich freuen diese zu lesen. Viele Grüße Ihr Stadtwerke-Redaktionsteam
  2. Felix Behnert
    sagt:
    Ich kenne Herrn Yilmaz seit vielen Jahren persönlich, seine Meinung war und ist mir schon immer mehr als wichtig gewesen und wird es auch in Zukunft sein.
    Und ein weiteres Mal kann ich behaupten: er spricht mir mal wieder von der Seele, wenn er voller Begeisterung von diesem Projekt nicht nur hier schreibt sondern auch im privaten Kreise spricht.
    Das Projekt der SWN ist vorbildlich, ich als Nicht-Pädagoge, wohl aber als Vater von vier Kindern, stehe diesem mit Begeisterung gegenüber. Denn die SWN kann mithilfe der Lehrerschaft etwas erreichen, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit für Kinder sein sollte:
    Das Schwimmen ein Spaß ist und keine unnötige Gefahr darstellen soll.

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