Wo geht ein Busfahrer eigentlich auf die Toilette?
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Fragen und Antworten aus der Fahrerkabine
Ich sitze im Bus. 7.30 Uhr. Die typische Rush Hour im Schüler- und Berufsverkehr. Ich habe mir einen der letzten Sitzplätze gesichert. Es ist laut und voller Menschen. Ein Schüler steht in der Nähe der Tür, sein Rucksack in der Lichtschranke. Er bemerkt es nicht. Ein Kind lässt sein Trinkpäckchen fallen. Es platzt auf. Der Boden ist nass und klebrig. Eine ältere Dame läuft noch gehetzt zur Tür, um den Bus nicht zu verpassen. Eine junge Frau telefoniert lauthals mit ihrem Liebsten und diskutiert das Abendessen. Mir wird warm. Für mich als Fahrgast bedeutet dies Stress. Wenn ich mir jetzt aber vorstelle, diesen Situationen täglich mehrfach ausgesetzt zu sein, frage ich mich, wie ein Busfahrer damit umgeht …
Und wie sieht eigentlich überhaupt der Tag eines Busfahrers aus? Macht er Pause und isst zu Mittag? Hat er überhaupt Zeit zu trinken? Wer trinkt muss wohl zwischendurch auch austreten. Wo geht er auf die Toilette? Er kann ja schließlich nicht seine Fahrgäste alleine lassen …
Meine Neugier ist geweckt! Das will ich einmal selber herausfinden.
Gesagt getan! Ich mache einen Termin mit meinem Stadtwerke-Kollegen und Busfahrer Sven Müller aus. Ich werde ihn während eines Dienstes begleiten. Das Abenteuer „Busfahrer für einen Tag“ kann beginnen.
Live dabei: Unterwegs mit Busfahrer Sven Müller
Es ist 10.30 Uhr als Sven und ich uns treffen.
Die Stadtwerke-Linie 854 soll es heute für uns werden. Sie führt von Neuss Vogelsang nach Weckhoven und wieder zurück. Jeden Tag bekommt ein Busfahrer eine neue Linie zugeteilt. Das wird dann ja nie langweilig, denke ich.
Sven und ich machen uns von der Leitstelle des Nahverkehrs an der Moselstraße aus auf den Weg. Erst mal müssen wir die Linie 854 am Ablösepunkt abpassen. Gemeinsam fahren wir - als Fahrgäste - mit dem Bus zum Start des Arbeitstages.
Allerdings sind wir zu früh. „Kein Problem!“ Sven zeigt in Richtung eines Gebäudes. „Dort gibt es einen Pausenraum für uns.“ Sagt er und läuft bereits vor. Das erste Rätsel ist damit schon zu Beginn meines Abenteuers gelöst. In Neuss stehen den Busfahrern einige Pausenräume zur Verfügung, wo sie auf ihren Einsatz warten oder Pausen machen können. Wir treten durch einen schmalen Flur in einen großen Raum, der mit einem langem Tisch und vielen Stühlen bestückt ist. „Hier können wir ungesehen zu Mittag essen, uns ausruhen oder auf die nächste Schicht warten“, erklärt Sven. „Hinten gibt es auch noch ein Badezimmer, für den Fall aller Fälle.“
Der Schichtplan macht den Arbeitstag
Es gibt auch Schichten, in denen man um die Mittagszeit ein bis 2 Stunden frei hat. Laut Sven sind das ideale Schichten für Menschen mit Familie oder Kollegen, die gerne auch mal eine längere Pause in ihrem Arbeitstag haben möchten. Dann verbringt man die Pause nicht im Pausenraum, sondern kann gemeinsam mit dem Partner und Kindern zu Mittag essen. Er selbst fährt aber lieber die sogenannten Mittelschichten. Die starten in der Regel zwischen 11:00 Uhr und 13:00 Uhr und enden zwischen 19:00 und 21:00 Uhr. Da kann er ausschlafen, in Ruhe frühstücken und sich gemütlich auf den Weg zur Arbeit machen.
Der Einsatzplan wird so gut wie möglich nach den Wünschen der einzelnen Fahrer geplant, denn es gibt Fahrer, die lieber ganz früh arbeiten und auch Fahrer, die lieber spät oder tagsüber ihren Dienst machen möchten. Dennoch können die Schichten untereinander getauscht werden, wenn kurzfristig etwas dazwischen kommt.
Endlich im Bus: Los geht‘s
Sven zieht uns noch je eine Flasche Wasser von einem Automaten in der Ecke und reicht mir eine davon: „Wir sollten jetzt aber langsam los“, sagt er. Gemeinsam gehen wir wieder an die Haltestelle, als auch schon unser Bus kommt. Der Fahrer steigt aus, noch während der Bus läuft. Verdutzt schaue ich Sven an. Warum lässt er den Motor laufen? Doch Sven begrüßt seinen Kollegen freundlich, reicht ihm einen Schlüssel und setzt sich selbst hinter das Steuer. Während Sven sich nun an seinem Platz einrichtet, den Bordcomputer umstellt, Münzen und Fahrscheinrolle installiert, erklärt er mir sein Vorgehen. Jeder Busfahrer hat einen Schlüssel für die Stadtwerke-Busse. Der wird beim Fahrerwechsel einfach getauscht. So muss das Fahrzeug nicht bei jedem Fahrerwechsel ein und ausgeschaltet werden. Das spart Zeit und Energie, wie ich erfahre.
Außerdem zeigt er mir noch eine Zahlenreihe auf der Rückseite der Fahrscheinrolle, bevor er sie einlegt. Jeder Busfahrer hat eine eigene Fahrscheinrolle – mit persönlicher Fahrernummer, die hinten drauf gedruckt ist. So ist immer nachweisbar, welcher Busfahrer die Tickets verkauft hat. Das schützt vor Betrügern, die versuchen Fahrscheine zu kopieren.
Nachdem sein Sitzplatz eingerichtet ist, steht Sven noch einmal auf und kontrolliert in Windeseile den Klemmschutz der Türen, die Reifen, Bremsen etc. ... „Das ist Pflicht vor Fahrtantritt “, erklärt er mir. Allerdings kann eine genauere Kontrolle erst während eines Zwischenstopps an einer Endhaltestelle erfolgen. Morgens hat man dafür etwas extra Zeit vorgesehen, zur Mittel- und Spätschicht muss die Kontrolle während des Zwischenstopps durchgeführt werden.
Innerhalb von ein paar Minuten ist der Fahrerwechsel und die kurze Inspektion erledigt und mit uns geht die Fahrt weiter. Der Fahrplan ist schließlich streng durchgetaktet und wir wollen pünktlich an der nächsten Haltestelle sein.
Alltag am Lenkrad
Während der ersten Fahrt erklärt mir Sven, wie sein Alltag im Bus aussieht. Ein sehr vielschichtiger Beruf, wie sich herausstellt. Schließlich trägt der Busfahrer die Verantwortung für dieses riesige Fahrzeug und all die Menschen, die ein- und aussteigen. Zwischendurch muss er auch als Krisenmanager auftreten, als Ersthelfer oder Sozialarbeiter, denn überall da, wo Menschen aufeinander treffen, gibt es Freud- oder Leidpotential.
Am liebsten fährt Sven an Fest- und Feiertagen: „Da sind die Menschen gut drauf und auch in unseren Aufenthaltsräumen herrscht eine besonders schöne Stimmung.“ An Karneval haben ihm einige Gäste sogar eine Perücke aufgesetzt und Musik gemacht. „Das war sehr lustig.“
Wenn ein Mitfahrender aber mal zu viel getrunken hat, kann es auch vorkommen, dass Sven einschreiten muss, um den anderen Leuten eine gute Fahrt gewährleisten zu können. Aber mit freundlicher Strenge und Witz gehe auch das ganz gut, meint Sven.
Mittlerweile sind wir an der ersten Endhaltestelle angekommen. Es sind keine Gäste mehr im Bus. Von den 10 Minuten Pause, die wir laut Fahrplan hätten, sind leider nur noch 5 Minuten übrig. Hat der Bus Verspätung, geht das generell von der Ruhezeit des Fahrers ab. Echt nett also, wenn er noch auf den Schüler wartet, der noch angelaufen kommt.
Kontrolle bitte!
Wir nutzen die Zeit bis zum nächsten Start, um den Bus zu kontrollieren. An jeder Endhaltestelle wird dies gemacht. Ist der Bus von innen sauber? Hat jemand etwas vergessen, verloren oder verschüttet? Es sind bereits die kuriosesten Sachen gefunden worden, wie Sven erzählt. Von Kinderwagen bis hin zu Handschellen war alles dabei.
Anschließend gehen wir hinaus und kontrollieren den Bus von außen. Gibt es irgendwelche Kratzer, Schrammen oder Beulen? Bei so viel Zeit auf der Straße bleibt die eine oder andere Blessur nicht aus. Die kleineren Probleme werden sofort markiert und nach Dienstschluss in der Buswerkstatt an der Leitstelle repariert. Bei schwierigeren Schäden wird ein Ersatzbus per Funk gerufen. Dafür gibt es sogenannte Reservedienste. Eine Art Bereitschaftsdienst für Störungen oder Krankheitsfälle mit Springerbussen und Busfahrern. Sobald diese da sind, kann der Wagen ausgetauscht und die Fahrt fortgesetzt werden. Ein Ersatzbus kommt übrigens auch dann zum Einsatz, wenn etwas im Bus verschüttet wurde oder die Sitze stark verschmutzt sind. Schließlich könnte jemand ausrutschen und sich verletzen.
Kurz bevor es für uns weiter geht, zeigt Sven auf ein kleines grünes Schuppenhäuschen. „Sind dir die schon mal aufgefallen?“, fragt Sven. „Das sind unsere Streckentoiletten“. Ich erfahre, dass in Neuss, anders als in vielen anderen Städten, an den meisten Endhaltestellen solche Streckentoiletten stehen. Jeder Busfahrer besitzt einen Schlüssel dafür. Mysterium des Alltags gelöst, denke ich. Check.
Einsteigen bitte!
Für uns geht es schon weiter: Von Haltestelle zur Haltestelle steigen mal gut- und mal schlechtgelaunte Menschen ein. Aber Sven bleibt fröhlich. Man merkt ihm jede Minute an, dass er seine Arbeit liebt. Schließlich ist es sein Traumberuf. Bereits mit 6 Jahren wusste er, dass er Busfahrer werden würde. Der riesige Wagen hatte ihn schon früh beeindruckt. Die Verantwortung und die Selbstständigkeit seien Pluspunkte in seinem Job, sagt er. Außerdem liebt er den Umgang mit den Menschen. „Da gibt es mal nette und mal weniger nette Fahrgäste. Wer damit nicht umgehen kann, sollte eher nicht Busfahrer werden.“ Sven kann viele lustige und auch traurige Geschichten von seinem Alltag erzählen. Angefangen bei fröhlichen Kindergruppen mit Schalk im Nacken bis hin zu dementen Fahrgästen, die nicht wissen wo sie wohnen.
Inzwischen haben wir die nächste Endhaltestelle erreicht. Für mich ist es Zeit nach Hause zu gehen. Mein Arbeitstag endet hier. Aber ich bin sehr froh, das Experiment „Busfahrer für einen Tag“ in die Tat umgesetzt zu haben.
Aber eine letzte Frage habe ich noch an Sven: „Was war das Schönste, das du im Bus je erlebt hast?“
Sven zeigt mir seinen Schlüsselbund mit einem Anhänger daran. Diesen Anhänger hat ihm mal ein kleiner Junge nach der Fahrt geschenkt und gesagt, es sei ein Glücksbringer. „Das war wirklich ein tolles Geschenk. Den trage ich jeden Tag bei mir“, freut er sich.
Was für eine herzerwärmende Anekdote zum Abschluss eines abwechslungsreichen Tages. Mit einem Lächeln im Gesicht und gestillter Neugier mache ich mich auf den Heimweg.
Ihre Yasemin Kayaci aus der Unternehmenskommunikation
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Kommentare (1)
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Fernandez, Maria
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