Gewässerschonende Landwirtschaft auf
einer Fläche von 1.890 Fußballfeldern
 

90 Hektar Land nennt er sein eigen. Rüben, Weizen, Gerste, Kartoffeln und Mais baut Landwirt Klemens Schmitz auf einem Teil seiner Ackerflächen in Korschenbroich-Rubbelrath an. Der Rest ist Grünland. Landwirt Schmitz könnte sein Land, das im Wasserschutzgebiet liegt, sicher intensiver nutzen und mehr Ertrag erzielen. Macht er aber nicht. Freiwillig. Er pflanzt und düngt so, wie es am besten für das Grundwasser ist. Dazu hat er sich vor 25 Jahren verpflichtet.

701x525-Schmitz-Radermacher.JPGAm 3. Mai 1993 unterschrieb er als einer der ersten Bauern die sogenannte „Wasserschutzkooperation“ mit den Stadtwerken Neuss und den Kreiswerken Grevenbroich. Darin verpflichten sich Landwirte und Gärtner, deren Äcker im Wasserschutzgebiet der Wasserwerke Broichhof, und Büttgen-Driesch liegen, die Düngung, Bodenbearbeitung und Fruchtfolge ihrer Flächen so abzustimmen, dass möglichst wenig Nitrat im Boden bleibt und ins Grundwasser gelangen kann. Denn Nitrat kann für den Menschen schädlich sein. Daher ist in der Trinkwasserverordnung ein zulässiger Grenzwert von 50 Milligramm je Liter (mg/l) festgelegt.

133 Landwirte und Gärtner in der Kooperation

Als Klemens Schmitz, der auch Sprecherratsvorsitzender der Wasserschutzkooperation ist, sich bereiterklärt hat, seinen Boden gewässerschonend zu bewirtschaften, zählte er zu den Pionieren. „Anfangs wollten nicht viele Bauern mitmachen“, erinnert er sich. Mittlerweile gehören 133 Landwirte und Gärtner dieser Kooperation an. Sie bewirtschaften etwa 90 Prozent der Flächen im Wasserschutzgebiet. Das entspricht circa 1.350 Hektar – einer Fläche von rund 1.890 Fußballfeldern.
Für ihren Ertragsausfall oder Mehraufwand erhalten die Landwirte und Gärtner eine Entschädigung von den Stadtwerken Neuss bzw. den Kreiswerken Grevenbroich. „Zu 90 Prozent wird die Zwischenfrucht gefördert“, erklärt Dieter Radermacher, Mitarbeiter in der Abteilung Anlagenplanung und -betrieb der Stadtwerke Neuss. Im Fall von Klemens Schmitz bedeutet das: Nach der eigentlichen Ernte pflanzt er Senf oder Ölrettich an. Pflanzen, die er eigentlich nicht braucht. „Sie sind nur als Humus nutzbar“, so Schmitz. Doch die Zwischenfrüchte erfüllen vor allem einen anderen Zweck: Sie entziehen durch ihre Wurzeln dem Boden bis zu 50 Kilogramm Nitrat je Hektar. „Im Herbst werden sie gemulcht und im Frühjahr untergepflügt“, sagt Radermacher. „So stehen den neuen Pflanzen die konservierten Nährstoffe wieder für ein gutes Wachstum zur Verfügung und der Stickstoff gelangt nicht in tiefere Bodenschichten.“ Ohne die Kooperations-Vereinbarung würde er den Boden sehr viel intensiver bearbeiten, erklärt Schmitz. „Doch dadurch würde auch mehr Stickstoff freigesetzt.“ Die Zwischenfrucht dagegen hat einzig den Zweck, dass auf dem Ackerboden etwas wächst und dem Boden Stickstoff, also Nitrat, entzogen wird und nicht im Grundwasser ankommt.

Unterstützung durch Wasserschutzberater

Unterstützung erhalten Schmitz und die anderen Landwirte, die sich der freiwilligen Kooperation angeschlossen haben, von zwei Wasserschutzberatern der Landwirtschaftskammer NRW.  Die Landwirte und Gärtner werden beispielsweise bei der Optimierung der Düngung beraten. Darüber hinaus werden Bodenproben analysiert und es finden Informationsveranstaltungen und Feldbegehungen statt. „Die Kosten dafür übernehmen die Stadtwerke Neuss und die Kreiswerke Grevenbroich“, so Radermacher.
Zum Schutz des Grundwassers gibt es noch weitere Maßnahmen: So werden neue Technologien wie die GPS-gesteuerte Verteilung von Düngemitteln ebenso finanziell gefördert wie größere Güllebehälter. „Viele Baugenehmigungen schreiben ein Fassungsvermögen von Güllebehältern für einen Zeitraum von acht Monaten vor“ so Radermacher. Jede Erweiterung darüber hinaus werde daher bezuschusst im Rahmen der Kooperation.

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Landwirt Klemens Schmitz im Gespräch mit Dieter Radermacher und Autorin Bärbel Broer

 

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Stadtwerke-Mitarbeiter Dieter Radermacher

Weitere Maßnahmen zum Nitratabbau in Brunnennähe seit einem Jahr

Seit 2017 haben die Stadtwerke Neuss weitere Maßnahmen ergriffen, um das Grundwasser vor weiterer Nitratzufuhr zu schützen. Alle zehn landwirtschaftlichen Betriebe, die in unmittelbarer Umgebung der Trinkwasserbrunnen Broichhof ihre Äcker haben, wurden zur gewässerschonenden Bewirtschaftung aufgefordert. Bislang nehmen sechs Landwirte daran teil.

 

Konkret gibt es bei diesen zusätzlichen Grundwasserschutzmaßnahmen um zwei Vereinbarungen: Zum einen gibt es das sogenannte Prämienmodell, zum anderen das Projekt „Extensivierung von Flächen“. Beim Prämienmodell verpflichten sich Landwirte dazu, keinen organischen Dünger mehr auf ihren Ackerflächen auszubringen. Je nachdem, wie viel Reststickstoffgehalt die Bodenproben aufweisen, gibt es eine entsprechend gestaffelte Prämie für die Landwirte. Beim Projekt „Extensivierung von Flächen“ wird Feldgras statt Getreide oder Gemüse angepflanzt. Der Ertragsverlust wird den Landwirten erstattet.

Mit Hightech und Naturschutz zu sauberem Wasser

„Die positiven Folgen dieser gesamten Maßnahmen werden wir in etwa fünf Jahren richtig merken“, davon ist Dieter Radermacher überzeugt. Doch auch die Maßnahmen der vergangenen 25 Jahre haben bereits Wirkung gezeigt: „Der Nitratwert ist trotz des wesentlich höheren Feldertrags nicht weiter gestiegen“, sagt Radermacher. In der Tiefe liegt er bei 74 Milligramm pro Liter (mg/l). Um diesen Wert weiter zu reduzieren und die gesetzlichen Grenzwerte von 50 mg/l einzuhalten, kommt für das Wasserwerk Broichhof der Stadtwerke Neuss die sogenannte Denitrifikationsanlage zum Einsatz. In dieser Anlage reduzieren Bakterien mittels Essigsäure als Nährstoff in oberirdischen sogenannten Festbettreaktoren das im Grundwasser enthaltene Nitrat. Das aufbereitete Wasser wird anschließend über einen Sickergraben wieder in den Grundwasserleiter infiltriert. Mit Hightech zu nitratfreierem Wasser sozusagen.

Doch warum sind die Nitratwerte im Grundwasser in diesem Gebiet höher als zum Beispiel im Bereich des Wasserwerks Rheinbogen, welches ebenfalls Teile der Stadt Neuss mit Trinkwasser versorgt? Das hat verschiedene Gründe: Grundwasser ist Teil des Wasserkreislaufs und dieser braucht unterschiedlich lange Zeit, um sich zu regenerieren. „Das Grundwasser im Wasserschutzgebiet Broichhof ist zum Teil 30 Jahre alt“, erklärt Stadtwerke-Mitarbeiter Radermacher. „Zudem ist das Nitratabbau-Potenzial des Bodens geringer“, sagt Landwirt Schmitz. „Denn je mehr Nitrat abgebaut wird, umso weniger organisch gebundene Kohlenstoffe enthält der Boden.“ Dazu muss man wissen: Organischer Kohlenstoff kann aus einer Vielzahl verschiedener Substanzen – beispielsweise Pflanzenreste wie Holz, Torf oder Braunkohle – bestehen und liegt in Grundwasserleitern vor. Bestimmte Mikroorganismen können bei der Verwertung von organischem Kohlenstoff das unerwünschte Nitrat mit abbauen. Dieser Prozess ist allerdings zeitlich begrenzt, da durch den Nitratabbau, der über viele tausend Jahre entstanden ist, der organische Kohlenstoff aufgezehrt wird.

„Deshalb ist die Wasserschutzkooperation so wichtig“, sagt Radermacher. Denn obwohl das Denitrifikationspotenzial der Böden zurückgegangen ist, hat sich der Nitratgehalt nicht erhöht. „Ein klarer Erfolg der Kooperation“, so Radermacher. „Denn so können wir auch weiterhin den Nitratgehalt im Grundwasser und in Zukunft den Aufwand der Wasseraufbereitung des Grundwassers zum Trinkwasser reduzieren.“


Ihre Bärbel Broer, freie Journalistin und Autorin des Stadtwerke-Magazins

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