Umstellung von L- auf H-Gas

Mammutprojekt startet in Neuss 2019

Es ist eines der größten Infrastrukturprojekte der Bundesrepublik und erreicht nun auch Nordrhein-Westfalen und damit Kunden im Versorgungsgebiet der Stadtwerke Neuss: Die Umstellung der Gasversorgung von L- auf H-Gas. Bis zu 55.000 Gasgeräte in Neuss müssen persönlich erfasst, begutachtet und gegebenenfalls angepasst oder sogar erneuert werden. Das Mammutprojekt startet zwar erst ab 2021 im Neusser Süden, doch die Vorbereitungen sind bereits ab 2019 notwendig. Wir klären schon mal darüber auf, was die Umstellung von L- auf H-Gas für Sie als Kunden im Versorgungsgebiet der Stadtwerke Neuss genau bedeutet.

„Bislang erhalten unsere Kunden ausschließlich L-Gas“, erklärt Wolfgang Lenhart, Leiter des Bereichs Technik bei den Stadtwerken Neuss. Bis zum Jahr 2025 werden alle Neusser aber ausschließlich mit H-Gas versorgt sein. Dieses Gas – der Name steht für „high-caloric gas“ – hat einen höheren Kohlenwasserstoffgehalt und somit einen besseren Brennwert als das sogenannte „low-caloric-gas“, kurz L-Gas genannt. Da sich diese beiden Erdgas-Arten massiv unterscheiden, ist es nicht damit getan, lediglich die Zufuhr der Gasart zu ändern.

Mikro-Erdbeben in Niederlanden durch Gasförderung

Das bisherige L-Gas stammt vor allem aus niederländischen, aber auch einigen deutschen Vorkommen. Die Niederlande waren jahrzehntelang ein sicherer L-Gas-Lieferant. „Doch in den letzten Jahren hat es dort infolge der Gasförderungen mehrfach Mikro-Erdbeben gegeben“, so Lenhart. „Daher hat die Regierung in Den Haag beschlossen, die Gasförderung zu reduzieren, die Exporte sukzessive einzustellen und künftig nur noch für den Eigenverbrauch zu fördern.“ Deshalb müssen neue Lieferanten für das Rheinland einspringen. Das sind vor allem Norwegen und Russland. Sie liefern aber eben eine andere Gas-Qualität: das H-Gas.

 

H-Gas hat höheren Brennwert als L-Gas

„Diese Umstellung ist keineswegs ein Nachteil für unsere Kunden“, sagt Lenhart. Im Gegenteil: Das H-Gas hat einen Brennwert, der etwa zehn Prozent über dem des noch aktuellen L-Gases liegt. Wegen der andersartigen Gas-Sorte müssen alle erdgasbetriebenen Geräte in jedem Neusser Haushalt erfasst und umgerüstet werden. Das gilt ebenso für alle betroffenen Gewerbebetriebe sowie Industrieunternehmen in Neuss. „Wir haben 33.000 Zählpunkte in Neuss“, erklärt der Bereichsleiter. Jeder einzelne müsse erfasst und begutachtet werden. Damit nicht genug: „Da mancher Zählpunkt mehreren Haushalten entspricht – beispielsweise in Mehrfamilienhäusern – und diese wiederum mehrere Gasgeräte haben, werden wir bis zu 55.000 Geräte erfassen müssen“, so Lenhart weiter. „Der Gesetzgeber hat uns als Versorger dazu verpflichtet“, sagt Lenhart. „Da wir dieses komplexe Projekt nicht mit unseren eigenen Mitarbeitern umsetzen können, werden wir uns externer Hilfe bedienen müssen.“ 

 

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Alle Gasgeräte werden erfasst und umgestellt

Konkret ist folgender Ablauf geplant: 2021 sollen die ersten Stadtgebiete im Neusser Süden auf H-Gas umgestellt werden. Etwa 3.500 Kunden in Rosellen, Weckhoven und Norf werden die ersten sein, die dann mit H-Gas heizen, kochen oder ihr Wasser erhitzen. Bis es soweit ist, hat der Gesetzgeber aber etliche Verfahrensschritte im Vorfeld vorgeschrieben. Denn die Anpassung erfolgt in drei Schritten: Zunächst muss der Gasgerätebestand in jedem einzelnen Haushalt von Fachleuten vor Ort erfasst werden. „Das werden die von uns beauftragten Fachfirmen voraussichtlich ab 2019 erledigen“, so Lenhart. Danach erst kann der zweite, vom Gesetzgeber vorgeschriebene Verfahrensschritt erfolgen: die eigentliche Geräteumrüstung. Ob Gasthermen oder Heizkessel, gasbetriebene Herde oder Kocher, Gasbrenner, -öfen oder -kamine: Jedes einzelne Gerät muss umgestellt werden. „Schätzungen gehen davon aus, dass es etwa 40.000 verschiedene Gasgeräte gibt“, sagt Lenhart. Der Aufwand hängt vom Gerätetyp und dessen Alter ab. Hauptsächlich müssen Düsen ausgetauscht und Regelarmaturen neu eingestellt werden. „Manche neueren Geräte regulieren sich sogar selbst“, weiß Lenhart.

Umstellung oder Neuanschaffung?

Es werde aber sicherlich auch Geräte geben, die sich nicht anpassen lassen. Diese Modelle müssen dann durch neue Geräte ersetzt werden. „Ursprünglich hatte man angenommen, dass dies wohl nur drei bis vier Prozent der Geräte betrifft“, so der Bereichsleiter Technik. Mittlerweile gehen Schätzungen jedoch von einem deutlich höheren Anteil nicht umstellbarer Gasgeräte aus. Deshalb rät Lenhart Besitzern alter Geräte: „Wenn jetzt ein altes Gasgerät, das nicht auf H-Gas umstellbar ist, kaputt geht, sollte man es nicht teuer reparieren lassen, sondern ein neues kaufen.“ Verbraucher können in solchen Fällen einen Zuschuss in Höhe von 100 Euro beantragen. Ein weiterer Zuschuss – allerdings nur für Heizgeräte – ist möglich über die sogenannte Gasgerätekostenerstattungsverordnung. Je nach Alter des Gerätes sind 100 bis 500 Euro möglich. Auch für diesen Zuschuss sind die Stadtwerke Neuss für Neusser Kunden Ansprechpartner. Wer Geräte hat, die älter als 25 Jahre sind, erhält kein Geld. Lenhart gibt daher folgende Tipps: Jetzt nur noch Gasgeräte kaufen, die für beide Erdgasarten geeignet sind. Alternativ können Verbraucher auch auf ein Contracting-Modell zurückgreifen. Statt einmalige Kosten für eine Neuanschaffung fallen monatlich planbare Beträge an und die neue Anlage ist mit einem Wartungsvertrag abgesichert. Die Stadtwerke Neuss bieten Contracting-Lösungen an (»mehr erfahren). In jedem Fall helfen neue Gas-Heizungen Energie zu sparen und damit Kosten zu senken.

Erste Umstellung im Neusser Süden

Wenn die Geräteumstellung im Neusser Süden voraussichtlich Ende 2021 erfolgt ist, müssen die Stadtwerke Neuss zudem eine Qualitätssicherung durchführen lassen. Dies schreibt der Gesetzgeber als dritten Schritt vor. „Quasi als Vier-Augen-Prinzip müssen wir zehn Prozent der Haushalte stichprobenartig erneut überprüfen“, so Lenhart. Damit wird wiederum ein anderes Subunternehmen beauftragt. So soll sichergestellt sein, dass fachlich korrekt gearbeitet wurde und die angepassten Geräte problemlos mit H-Gas betrieben werden können.
Erst wenn diese drei Verfahrensschritte erfolgt sind, ist die Umstellung auf H-Gas abgeschlossen. Sobald im Neusser Süden im Jahr 2021 etwa 3.500 Kunden mit H-Gas heizen oder kochen können, ist für die Stadtwerke aber nur ein Bruchteil der Arbeit erledigt. „Dann sind erst zehn Prozent unserer Kunden auf H-Gas umgestellt worden“, erläutert Lenhart. Rund 30.000 weitere Zählpunkte, weit mehr Haushalte und noch mehr Gasgeräte müssen bis Mitte 2025 umgestellt sein. Denn nach aktuellem Stand wird ab 1. Oktober 2029 kein niederländisches Gas mehr nach Deutschland fließen.


Ihre Bärbel Broer, freie Journalistin und Autorin des Stadtwerke-Magazins

Umstellung von L- auf H-Gas:
Wichtige Fragen und Antworten auf einen Blick

FAQ - Gasumstellung

Die Erdgasversorger im Norden und Westen Deutschlands beziehen bislang überwiegend sogenanntes L-Gas. Das „L" steht für das englische „low caloric" also „niederkalorisch". Das bedeutet: L-Gas hat einen vergleichsweise geringeren Energiegehalt beziehungsweise Brennwert. Die L-Gas-Vorkommen in den Niederlanden und in Norddeutschland werden in absehbarer Zukunft erschöpft sein, so dass die Versorger nun auf das hochkalorische H-Gas umsteigen. Dieser Vorgang inklusive der notwendigen technischen Veränderungen wird als Marktraumumstellung bezeichnet.

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